Zwei Orte, an denen Menschen mit seelischen Erkrankungen durch eine tiergestützte Therapie regelrecht aufblühen können, sind das Salzburger Zacherlgut und der niederösterreichische „Tierapie“-Hof, zwei echte Green Care-Pionierbetriebe.
Mit Hilfe von Tieren gelingt manchmal etwas Wunderbares, was selbst den bemühtesten psychotherapeutischen Fachkräften alleine verwehrt bleibt – der Zugang zu Menschen, die das Vertrauen zu ihren Nächsten verloren haben bzw. an Traumata oder Angst und Panik leiden. Im Idealfall verfügen diese Orte über eine besondere Atmosphäre, die zum Verweilen und Energietanken einlädt und einfach guttut. Einer dieser Kraftplätze ist der „Tierapie“-Hof im niederösterreichischen Eggenburg, der nicht nur von der Familie Gilli, sondern auch von acht Pferden, fünf Hängebauchschweinen und einigen anderen Vierbeinern bewohnt wird. Und fast jeder dort, egal, ob Mensch oder Tier, hat eine spezielle Ausbildung bzw. Prüfung absolviert, um die vorbeikommenden Klientinnen und Klienten bei der Bewältigung ihrer Probleme unterstützen zu können.
Die Zügel des eigenen Lebens wieder in der Hand halten
„Es ist berührend, wie das Lebewesen Pferd auf einen Menschen eingehen und rücksichtsvoll sein kann“, erzählt Doris Gilli, Psychotherapeutin, Skillstrainerin und Fachkraft für tiergestützte Therapie der ersten Stunde. „Bei uns war beispielsweise eine ältere Dame, die stark traumatisiert war. Als Joschi, unser großer Noriker-Mischlingswallach, aus dem Stall herausschaute, bekam sie riesengroße Angst und konnte sich nicht vorstellen, sich diesem Tier auch nur zu nähern. Wir haben dann ganz behutsam mit unserem kleinen Tigerscheckpony begonnen. Nach nur drei Einheiten hat sie sich getraut und ist mit dem großen Joschi spazieren gegangen. Das war das totale Empowerment, eine enorme Selbstermächtigung. Für die Dame war es unglaublich, dass sie so weit gekommen ist, und hat ihr enorme Kraft verliehen. Das sind Erfahrungen, die bleiben“, betont Gilli. Zwischen den Pferden und ihren Schützlingen herrscht dann manchmal eine besondere Chemie, die selbst die erfahrene Fachfrau nicht erklären kann. Die Hängebauchschweine sind wiederum jene, die den Erstkontakt zu den Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen herstellen. Mit ihrer lustigen, unbeschwerten Art stellen sie regelrechte „Türöffner“ dar, freut sich die Green Care-Pionierin.
Unrentablen Schweinemastbetrieb auf neue Beine gestellt
Entstanden ist ihr vielfältiges tiergestützte „Tierapie“-Angebot eigentlich aus einer Not heraus, den unrentabel gewordenen Schweinemast-Betrieb der vorigen Generation auf neue Beine stellen zu müssen. „Und ich hatte schon immer einen gewissen ‚Pferde-Vogel‘“, wie die Integrative Therapeutin ihre Begeisterung für die wiehernden Huftiere lachend bezeichnet. Bei dem Kurs „natural horseman ship“, der viel auf non-verbale Kommunikation setzt, kam sie dann auf die Idee, ein neues Einkommensstandbein aus ihrer Leidenschaft zu entwickeln. Verschiedenste Ausbildungen folgten, so auch der Zertifikatslehrgang für tiergestützte Therapie am Österreichischen Kuratorium für Landtechnik und Landentwicklung (ÖKL) 2006/07.
Kooperationen und Qualitätsnachweise sichern den Erfolg
Gleichzeitig entstand in Eggenburg eine neue psychosomatische Klinik. „In diese bin ich mit meinem Konzept gegangen. In der Folge gab es dann ein Pilotprojekt und seit 2008 bin ich in der Klinik als Mitarbeiterin beschäftigt. Als Teil eines acht- bis zehnwöchigen, stationären Therapieprogramms kommen seither zweimal in der Woche vier Personen zu uns, die unter Borderline- oder anderen Persönlichkeitsstörungen leiden“, so Gilli. Verrechnet wird über die Tagsätze der Klinik und somit das Spitalsbudget. Weitere erfolgreiche Kooperationen bestehen etwa mit dem Sonderpädagogischen Zentrum Horn bzw. Hollabrunn. Doch auch aus Tulln und Wien kommen Einzelpersonen, um sich von Doris und Romana Gilli und ihren Tieren bei der Bewältigung von Krisen unterstützen zu lassen. Im Grunde existieren drei verschiedene Unternehmen auf dem Bauernhof in Eggenburg: ein Landesproduktenhandel, die Ölmühle von Sohn Georg und eben der Tierapie-Betrieb von Doris Gilli, den sie mittlerweile ihrer ebenfalls für diesen Bereich begeisterten Tochter Romana überschrieben hat. Wichtig für den Erfolg sind höchste Qualitäts- und Sicherheitsstandards, die unter anderem mittels Green Care-Zertifikat nachgewiesen werden.
Kinderbereich ausbauen, Anerkennung als echte Therapieform erreichen
Insbesondere, wenn es um Heranwachsende geht, sind derartige Belege besonders wichtig. „Gerade bei den Kinderthemen sehen wir einen erhöhten Bedarf. Daher wollen wir diesen Bereich auch weiter ausbauen“, berichtet Gilli. Nicht nur eine systemische Familientherapeutin, sondern auch eine Psychologin konnten für den Therapiehof gewonnen werden. Insgesamt sind somit fünf neue Arbeitsplätze entstanden, die allesamt von Frauen wahrgenommen werden. Was sich die Green Care-Pionierin für die Zukunft auch wünscht, ist, dass die tiergestützte Therapie von Krankenkassen anerkannt wird. Das wäre für eine bessere finanzielle Abgeltung wichtig. „Zudem sollte das Profil der TGI auch nachgeschärft werden, um die notwendige Professionalität in allen Fällen sicherzustellen“, zeigt sich Gilli überzeugt. Eigene Kraft gewinnt die Green Care-Pionierin nicht nur aus Erfolgserlebnissen mit ihren Tieren und den betreuten und begleiteten Menschen, sondern auch aus Spaziergängen in der Natur. Zusätzlich helfen Supervision, sprich psychosoziale Fachkräfte von außen, und Intervision, also Gespräche im Team selbst, um die oftmals schwierigen Situation und Schicksale der Menschen besser verarbeiten zu können.